U-Bahn zum Mittelmeer

Im Bordfernseh’n das Model,
hüpft in die Lagune,
ein Sportlertyp hinterher.
Ihm folgen hessische Schafe,
summende Honigbienen,
bayrische Volksmusikanten,
Bäuerinnen in Tracht,
Schwarzwald, guck mal,
und ein Klapperstorch.
Dann wieder das Model
ins Wasser, der Typ,
die Schafe,
die Bienen
die Musikanten,
die Bäuerinnen,
die Tracht,
der Schwarzwald,
ein Klapperstorch.
Das Model
fängt wieder an zu hüpfen.
Ich muss hier raus.
© hertz

Grenzfall

Allerdickst kommt’s,
weiss die Nachbarin
aus dem Autoradio,
allerdickst,
haben sie gesagt.
Dann ginge gar nichts mehr.
Unsere beiden roten Tulpen
wiegen weise ihre Köpfchen.
Am Morgen liegt tatsächlich
die Flockenfallgrenze
bei 47 Metern.


© hertz

Straßenkampf

Die Wollmütze
und der Bärtige
klatschen sich ab,
erst mit rechts,
dann mit links.
Stürmisch und stürmischer.
Kehllaute. Singsang.
Ein verwirrtes Eichhörnchen
jagt die Platane hoch.
Der Bärtige spielt
Arm hoch, Finger gerade,
in Kinderpose
eine Hand am Abzug,
das Tier im Visier.
Brrrat-a-tat-tat-tat-tat.

© hertz

Girls‘ Days

Rocca ist elf,
landet einen A-380
– im Film.
Will die Welt verändern.

Pippi ist neun,
das stärkste Mädchen der Welt
– im Roman.
Will die Welt verändern..

Greta ist sechzehn,
regt Schulen auf
– in echt.
Will die Welt verändern.

© hertz

Nachtfenster

Draußen rauscht was ab,
funkelnde Sternschnuppen,
bin wunschlos leer.
Schließe das Fenster.
Träume blanke Taler,
in meinen Schoß
eine Hemdelein
aus allerfeinstem Linnen,
Hochwohlgeboren
schlafe ich ein.

© hertz

Kein Zug

Regenpeitschen.
Böenwummern.
Lichter gehen aus.
Verschon uns.
Kein Zug, es wäre seine Zeit.
Das Tief wird tief und tiefer,
sollte Wotan heißen.
Es gibt bald sowieso
die Sonne nicht mehr,
sagte die junge Frau
gestern an meiner Tür.
Ich lächelte dümmlich.
Sie nicht.

© hertz

Noch Zeit

Wenn du tot bist,
bleibst du hier,
ich öffne kein Fenster,
halte die Uhr nicht an.
Sie sagen dass du riechst,
ich werde dich waschen,
wie es sich gehört,
festlich kleiden,
oben und unten,
deine Wäsche von damals,
das Seidenteil, die Pumps,
der Damenanzug.
Wir haben noch Zeit,
bevor die Kinder kommen.
Ich rücke deinen Sessel
zu den Bildern,
die du gern hast,
das Paar beim Sonnenaufgang,
die Heidelandschaft,
das handgemalte Kätzchen
von deiner Freundin.
Ich mache es dir bequem.
Fernsehen heute nicht.
Ich werde dir vorlesen,
was von Theodor Storm,
mein Harfenmädchen.
Das wird dein Abend.

© hertz

Shooting

Es glitzern die Gleise,
sie lächelt nach unten,
o Gott.
Ein andrer ist da.
Rosa Fliege,
ein meerblauer Frack,
klickert im Takt,
sie macht ihm ihr Mündchen,
wirft ihm ihr Küßchen.
betänzelt die eiserne Brüstung.
Er rollt sich rücklings,
jetzt noch von unten.
Die Braut ist im Kasten
der Anzug ist hin.
© hertz

Schöne Brücke

Hier sollte man springen.
Allein schon der Blick
in die Abendsonne.
Nur dauernd diese Frachter.
Auf einen Container
will ich nicht knallen,
das tut verdammt weh.
Missglückte Arschbombe,
denken die dann.

Ich warte besser noch.
Sonntags da kommen
die Frachter doch nicht.

© hertz

Hôtel-Dieu

Schwarze Schmerzreiter
von der weißen Glasfront
Lanzen
Speere
Schwerter
Wundmacher
und nichts tut so weh
wie der Morgenstern
sein Kopf
mit eisernen Dornen

jetzt lüg dich weg
bete den Spruch
gelobe in dreierlei Namen

hinter der milchigen Scheibe
gucken sie lieb
wie du da raus kommst

© hertz

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