Bornholmer Straße

Ne Freundin
in Ostberlin
hatt‘ ich mal,
rein platonisch,
sie ging sowieso
mit einem von der NVA.
Rüber machte ich
alle Jahre wieder.
Zutritt von sieben
bis vierundzwanzig Uhr.
Gut für die Moral.

Die Brücke,
die Kleingärten,
Bornholmer Straße,
die Grenzanlagen.
Neulich war alles
im Fernsehen, wie in echt.
Aber dies zeigten sie nicht:

Einmal verdammt spät,
ich total verfranzt,
falsch in der Einbahnstraße.
Herzrasen. Vopo kommt.
Papiere.
Belehrung.
Nicken.
Kehren.
Gute Fahrt, sagen sie.
Ich schaffe die Grenze.
Danke, Jungs.

Und die Platonische –
ach, Heide.

© hertz

Beisitzer

Soviel Lufthoheit
gestand man mir
noch nie zu
bei einer Sitzung.
Ich verfügte erstmalig
über einen Luftraum
von zirka 130 Badewannen.

Trotz der Badewannen
hatte ich leider
nichts zu sagen.

© hertz

Lost in the movies

Popkorn-Aerosole
schwadenweise,
die Gier greift XXL.
Bunte Togo-Becher
strohhalm-schnorcheln,
Bügelflaschen ploppen,
der Jungmann rülpst.
Tatatata! Tatata!
Das Handy klemmt,
Köpfe sacken weg,
Knutsch-Gekicher,
man zeigt sich was,
die Displays glühn.

Anders gestern.
Im Absperrband
bloß du und ich
und, ja, der Film.

© hertz

Fischmarkt

Trumphering
Putinhering
Orbanhering
Erdoganhering
bɪz.mɑɹk eːʁɪŋ
Kaczyńskihering
Xi-Jinping-Hering
Lukatschenkohering
Fürst-Hans-Adam-II-von-und-zu-Liechtenstein-Matjes

dann
doch
lieber
Rollmops

© hertz

Lied von der Hitze für meinen Großvater, Jahrgang 1886, Metallarbeiter

Die Muskeln zucken
nach einer Weile.
Die Hitze.
Die Faszien.
Die Hitze.
die Faszien.
Magnesium,
Kalium,
Franzbrandwein,
diese drei,
so steht es geschrieben.
Aber mein Großvater
nahm nach der Arbeit
Herrenhäuser Pils
gegen das Zucken.
Tagsüber stand er
an der Drehbank
bei der Conti.
Morgens um vier
musste er raus,
langer Fußmarsch.
Ruckzuck.
Die Muskeln zucken
nach einer Weile.
Die Hitze.
Die Faszien.
Die Hitze.
die Faszien.
Magnesium …

© hertz

Allee-Talk

Ist der späte Zug durch,
drehn sich unsre Buchen
blätterrauschend zueinander,
wispern Smalltalk,
tratschen ökologisch,
über die Fichten zum Beispiel,
nackt bis Hals dort am Wegkreuz.
Oder was über die Grundherrin,
wem sie bestimmt noch ans Holz ginge.
© hertz

Elbisch

Brokdorf, in der hellen Bucht,
gelb lockende Blumen.
Der Landmesser steht dort,
der du einst werden wolltest,
er steckt in deiner Haut.
Du traust dich
nicht zu fragen,
bist neben dir
für lange Zeit.
Ihr guckt nach drüben,
messt den Weg in Meilen.
Das Riesenschiff versperrt
den Blick, macht Wellen,
ein Pärchen zieht die Füsse an,
der Sand wird feucht.
Man nickt sich zu.
Elen síla lúmenn‘ omentielvo. (*)

© hertz

(*) Ein Stern scheint auf die Stunde unserer Begegnung.

Planetendating

Eine Rubensfigur
um die Hüften
ihres Äquators
hat meine Blaue.
In drei Tagen
kann man rum sein,
achtzig war einmal.
Von der heißen Venus
lasse ich die Finger.
Pluto ist eh raus.
Der eisdicke Neptun
passt schon gar nicht,
ich brauche Blüten,
Küsse, Verse und Gesang.

© hertz

ohrenapotheke

Sind die Denkmäler durch,
alle Straßen,
auch die kürzeren,
sämtliche Mohrenapotheken,
auch die kleineren,
bleibt noch viel zu tun.
Häschenwitze.
Kuchenrezepte.
Volkslieder,
Galaxien,
Familiennamen,
Heiße Getränke.
Und dann Bücher.
Bücher, sage ich euch.
Kann man auch nicht
alles so stehn lassen.

© hertz

Flug-Zeug

Der Schlund würgt
Koffer auf Koffer auf’s Band.
Mit japanischem Lächeln,
zwei Entschuldigungen
und einer Verbeugung
husche ich ungestraft
in den inneren Zirkel.
Glücksgriff.
Trumm von einem Koffer,
fast neu,
auf der Gepäckkarre
hängt er wie notgewassert
in der Biskaya.
Nicht für’n Polo.
Schade.
Ich liebe
das Leben der andern.
© hertz

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