Fünf-Uhr-Tee auf Hedwigslust

Urgroßmutters Sommer bauscht die Röcke prächtig,
Atlasfalten voller Erdbeer und Jasmin,
duftig süßen Vorspiels lockender Beginn.
Küss die Hand, voll Anstand kniet die Lust bedächtig.

Wilde Reben ranken sich um’s Pförtchen mächtig,
schelmisch scherzt ein praller Putto vor sich hin,
Rosenstöcke salutieren in Karmin.
Man beplaudert Herzensdinge, unverdächtig.

„Teezeit“, ruft man sie ins Haus hinein.
„Fräulein reichen Sie mir ihren Arm“,
knisternd schmiegt sich eilig Stoff an Stoff.

„Doktor, darf ich ihre Malve sein?“
Eins war hier schon längst des andern Schwarm,
täubchengleich es aus dem Herzen troff.

*

Man geht ins Haus, es glänzt die Wand aus Seide,
im goldnen Bilderrahmen Heilandsschäfchen,
begrasen allerfröhlichst Moor und Heide,
des Guten Hirten Hund im sel’gen Schläfchen.

Ein Pferdetrupp bereitet die Paneele.
Geschnitzt aus Wurzelholz des Sofas Wangen,
ein Ritter passte ‚rein mit Leib und Seele,
es fehlt‘ nur noch ’ne Jungfrau für’s Verlangen.

Zerknarrt wird jäh die Stille des Gemaches,
als man das Paar nun stumm zum Platze bringet,
es ächzt ein Stuhl, an Dübeln hier gebrach es.
Serviert wird Ceylon-Tee, Musik aufklinget.

Im Bild der Ahnherr schauet cool,
dieweil sie später Obstler trinken.
Die blassen Bräutchen wechseln wohl,
die Zwetschgen nicht. Er tut jetzt winken.

(Eine Phantasie nach Hedwig Courths-Mahler)

© hertz

Frontbericht

Marder im Dach.
Ratten im Kompost.
Schnecken im Beet.
Zecken im Busch.
Maden im Mehl.
Spinnen im Erker.
Und dann noch
Hundekacke.

Friede mit wem?

Nebenan ziehen sie
die  Tüllfahne auf.

Da lacht der Kakerlak.

© hertz

 

Mundgeblasen

Unser Kind ist aus Glas,
schüchtern gezeugt
in einer Frühlingsnacht.
Wenn wir es anhauchen,
macht es den Marienkäfer,
pumpt sich glucksend auf,
das Herzchen bubbert.
Ein Kuß auf die Stirn,
schon blinkts im Stammhirn,
Blutbahnen erblühen,
die Pulse werden fröhlich.
Später macht es mal
ein Kind aus Acryl.
Dann sieht man tiefer.

© hertz

Wünschen

Heute wollte ich
endlich mal aufschreiben,
was ich auf jeden Fall
noch machen möchte
bis man nicht mehr ist.

Ich kann nicht.
Die Katze guckt.

© hertz

Erlenfrau

Die Erlenfrau wispert zum Wasser
zwei Sternchen umtänzeln
den erblassenden Mond
werden zu Sternen
werden zu Sonnen
knallen heran
schaffen nicht das Brückchen
fall’n sie in die Hecke
fall’n sie in den Graben
kreisch’n die Krähen
über’m Sielzug

© hertz

Kanada

Das Haus weint,
als es mich sieht.
Es hält mich
für einen anderen.
Ich bleibe
zum Verwechseln höflich,
ziehe meine Pudelmütze,
sanft drücke ich
die Tür ins Schloss.

Kanada.
Ich kann schon
im Freien abkochen.

© hertz

Schwarmbeben

Nicht fallen,
sagt sie am Tresen.
Irgendwo rumort’s
in der Tiefe.
Der Fernseher hängt
über den Flaschen,
ein Schwarmbeben,
rote Pfeile stürzen
aus dem Bildschirm
Richtung Whisky.
So tief
könnte man fallen.

Das Wetter morgen.
bleibt
schön.

Es kam schon mal
alles runter,
flüstert sie mir zu,
das Hotel haben sie
in die Lava gebaut.
Mit dem Knöchel ihres
Ringfingers klopft sie
an die schwarze Platte,
unberufen und dreimal.
© hertz

Gülle, Gülle

Aus Schläuchen plätschert
das Zeug in die Anlagen.
Die städtischen Anlagen sind schon
abgesperrt, vorsichtshalber.
Die schwarzbunten Kühe traben
dieweil in die Fußgängerzone,
neugierig, ob ihre Bauern
die Sache mit der Kuhkacke
voll in den Griff kriegen.
Leute drücken sich eilig
in die Läden, das Personal
drückt die rote Notruftaste.
Die Securitas wird ausgemuht.
Ein paar Bullen besuchen
mal den netten Dönermann,
garantiert kein Schwein,
sie nehmen grünen Salat.
Alkluge Kälbchen hopsen
ganz allein in den Bus
zum Schlachthof.
Ein schöner Ausflug.
Güle, Güle.

© hertz

Blogverzeichnis - Bloggerei.de
Follow by Email
Zurück