Der alte Planet

Schütteln möchte sich
der alte Planet.
Er kann gar nicht
so viel kratzen
wie’s ihn juckt.
Andauernd klammern
oder krallen sie.
Gezecke.
Da holt man sich ja
ordentlich was weg.

 

 

 

 

Manches Mittel versucht,
vergebliche Mühe.
Sie sind immun
gegen Magnetstürme
und Sonneneruptionen.
Vulkane – wirkungslos,
stattdessen buchen sie
pauschale Schaulust
mit qualmenden Schuhsohlen.
Vielleicht sollte er öfter
mal nachheizen?
So ein, zwei Grad?

Seuchen, der Planet seufzt,
Seuchen haben geholfen,
vor langer Zeit, oh ja,
Pest und Cholera.
Aber jetzt spritzen sie sich
irgendwas in die Arme
oder in den Hintern –
und sind wieder fit.

Der Planet ist lange schon
auf seiner Umlaufbahn.
Wie viel hat gesehen!
Neulich erst diese Dino-Trampel,
ein Asteroid zum Glück
fegte sie weg, ratzfatz.
Und jetzt die hier.
Machen laute Geländespiele
mit dumpfem Knallen und Kollern,
Rummsen und feurigem Zischen.
Nicht alle, weiß der Planet.
Manche scheiden aus,
bevor ein Spiel durch ist.
Dieses Rum-Rummsen
juckt immer am schlimmsten.

Das ist zum Aus-der-Bahn-Fahren.
Der Planet hat nicht übel Lust,
doch mal ein bisschen
mit der Achse zu schlenkern,
wie letztens, dabei kam
prompt ne schöne Eiszeit rüber,
die erforschen sie immer noch.
Könnte man wieder machen,
grübelt er, so als kleines
Na-wird’s-bald.

© hertz

 

Nett sein

Im Roman wird schön
gestorben, sind sie so
lieb zueinander,
der Tote so nett
beim Tod,
obwohl’s weh tut.
Die Familie kann
sich echt traurig
sehen lassen.
Ich möchte auch
so was buchen.
Nehme ich Angehöriger
oder doch gleich…?

© hertz


„I will kill you anyway“ stand 2013 in Neonbuchstaben im Innenhof des Gerisch-Parks Neumünster geschrieben. Es ist ein Schriftzug der Künstlerin Susanne Kutterau. Im Moment ist er in Worpswede installiert.

Im Friedforst

Kommen zwei
im Zelenskyj-Look,
kommen ungelenk,
suchend,
sichernd
zum Baum,
jung noch,
wildgeschützt.
Einer nestelt
aus der Jeans
ein Mitbringsel.
Drücken sich
stumm davon.

Hängt im Draht:
Ein Hühnergott.
Ganz in Weiß.

Sagt ein Schild:
Nadia.
Achtzehn.

© hertz

Kindheitsende

Alles Container.
Nur die Sachen hinten
kriegt die Wohlfahrt.
Den abgewetzten Ring
könnte man verkaufen.
Papiere.
Fotos.
Aus Kinderzeiten
der Kieferntisch
mit rissigen Augen.

Was gucken die denn so?

© hertz

Erwin

Am Ende der Dritten
sich verliebt
in Druckerschwärze.
Die Zeitung roch
morgens so gut.
Ich schrieb ihr
mein erstes Gedicht
über Mond und Sterne.
Sie nahmen es.
Da wusste ich,
wofür zu leben.
Nur mit Erwin
wurde es nie
mehr was,
er hatte mich
nicht gelesen.
Jetzt las ich ihn,
schwarz umrandet.

© hertz

Funkloch

Beethovens Fünfte,
also endlich ein Anruf.
Ich erkenne die Stimme
am Schweigen im Hörer,
dabei habe ich
noch so viel vor.

© hertz

Noch Zeit

Wenn du tot bist,
bleibst du hier,
ich öffne kein Fenster,
halte die Uhr nicht an.
Sie sagen dass du riechst,
ich werde dich waschen,
wie es sich gehört,
festlich kleiden,
oben und unten,
deine Wäsche von damals,
das Seidenteil, die Pumps,
der Damenanzug.
Wir haben noch Zeit,
bevor die Kinder kommen.
Ich rücke deinen Sessel
zu den Bildern,
die du gern hast,
das Paar beim Sonnenaufgang,
die Heidelandschaft,
das handgemalte Kätzchen
von deiner Freundin.
Ich mache es dir bequem.
Fernsehen heute nicht.
Ich werde dir vorlesen,
was von Theodor Storm,
mein Harfenmädchen.
Das wird dein Abend.

© hertz

Wünschen

Heute wollte ich
endlich mal aufschreiben,
was ich auf jeden Fall
noch machen möchte
bis man nicht mehr ist.

Ich kann nicht.
Die Katze guckt.

© hertz

Sauber

Winterregen
hat die Böschung reingewaschen.
Hier knautschte keine Motorhaube,
hier erbrach sich keine Ölwanne,
hier schrie niemand in den Gurten.

Verloschen das Ewiglicht
im Plastikbecher
vom ALDI.

Nichts
lenkt uns ab.

© hertz

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