Dartmoor-Spuk

Balladeske vom Rechengeist zu Moretonhampstead
Entstanden nach einer Devon-Reise

Der Gespenster liebstes
ist mir der Rechengeist
von Moretonhampstead.

Als der kleine George
nachts geboren wurde,
machte es ihm höflich
einen Willkommensbesuch.
Sein Vater war Steinmetz,
man kannte sich flüchtig,
seitdem er das Gespenst
mal durch lautes Klopfen
zu Tode erschreckt hatte.

Es schenkte dem Kleinen
etwas Persönliches von sich:
Die Begabung für Mathe.
Schon mit mit drei war er
das bestaunte Zahlenwunder.
Sein stolzer Vater stellte
ihn auf Pfunde rechnend aus.
Doch auch der Rechengeist
hatte Spaß am kleinen Genie.

Als George zur Schule ging
entsann sich der Rechengeist
der Pflichten des Patenamtes
und erschien wichtigen Leuten
erschröcklich, smalltalkte nett
nächtlicherweise bedeutsam.
Morgens begann ein jeder,
den Steinmetzsohn zu fördern
eigene Mittel nicht scheuend.

Der Rechengeist durfte noch
erleben, wie George schließlich
Karriere machte, unentbehrlich
für Eisenbahnbau und Telegrafie,
geschätzt im gesamten Königreich.
Bei der Heirat half das Gespenst
nicht mit, doch der erste Sohn
wurde mindestens zur Hälfte
so ein Genie wie der Vater.

Dann ging eine Zeit zu Ende.
Der alte Spuker wurde müde
all der Stürme auf dem Moor,
es lockte ihn die Seniorenburg
der Gespenster in Dartmouth.
In der gleichen Stadt starb George.
Das Jahrhundert der Geister
auf dem Dartmoor versank
in Geschichten und Versen.

Doch in Moretonhampstead
setzten sie ihrem großen Sohn
ein steinerne Statue im Jahr 2020:
George Parker Bidder, 1806 – 1878.
Als der greise Rechengeist
Wind davon bekam, streckte
er sich nochmals und spukt
seitdem alle siebzehn Wochen
Klinker zählend ums Denkmal.

© hertz

34,1° Celsius

Andächtig entblößt
bis auf die Augen
dösen ins Delirium
coole Ganzkörper
Stufe für Stufe
die angekündigen
Celsius-Grade rauf.
Keine Bewegung.
Bloß der Kosmonaut
hinter dem Deich
aus Luftballon-Gummi
zappelt auf Erden
bei leichter Brise,
empfiehlt bäuchlings
schwabbelnd Gelati,
sein Hintern aber
wirbt für Pommes.

© hertz

Urlaub daheim

Durch den Feldstecher ziehen
Wesen, mächtige Leiber,
Köpfe dunkel verschleiert,
eisenfarben die Häute.

 

 

 

 

 

Abenteuerlich – wir hin.
Tief geduckt im Galopp ab
durch die Jungbullenweide,
Mückenschwärmen entfliehend.

Kurzer Sprung über’n Graben,
schnaubend erwartet man uns,
erstes Sichten der Fremden
durch das lästige Schutznetz.

Endlich herzliches Wiehern,
Hälse tätscheln, ein Nicken.
Alle hörn sie auf Lucy.
Wie benennen sie uns bloß?

© hertz

Abhauen Ü70

Mal weg
mit ’nem T3.
Leih ich von Steffie,
wo die doch jetzt
die neue Hüfte.
Esbit-Kocher
von ebay.
In den Süden,
Rurtalsperre
oder die Rhön.
Muss morgen bloß
noch zum Urologen.

© hertz

SO 2

Aus dem Paradies
höllischer Gestank,
schmeckt nach Klo.
Die Kinder rein,
die Masken auf,
das Fernsehn an.
Vorabendserie,
du lieber Gott,
gibt’s doch nicht,
wir holen uns noch
den Tod oder was.
Endlich. Ach so,
der Vulkan da hinten.
Wir wollten sowieso
wieder Costa del Sol.
Keine Sorge.

© hertz

Dreikommavier

Das klare Wasser
erzittert mehrfach
in unserer Regentonne,
Heben und Senken
aller Atmenden
scheint zu stocken.
Man könnte noch schnell
seine Liebe bekennen
oder ein Kreuz schlagen.
Vögel, wie versteint
unter dem Bougainvillae,
sind kein Trost mehr.
Drei Komma vier sagen sie
im Staatsrundfunk,
fünf Kilometer tief.

© hertz
Vor Jahrzehnten lebte ich in einem fernen Land, unter dem es bisweilen rumorte. Jetzt ist auf unserer liebsten Reiseinsel La Palma die Erdbebenampel auf Gelb gesprungen, auf der halben Insel spürt man die Schwarmbeben, zuletzt an die 200 täglich.La Palma bringt die alten Erinnerungen herauf, die jetzt noch einmal Worte gefunden haben.
Das Foto zeigt das Llano del Jable (dt. Sandebene) auf La Palma, das nach einem Vulkanausbruch vor rund 500 Jahren entstand. Über 8 Kilometer lang und teilweise bis zu 2 Kilometer breit erstreckt sich eine schwarze Zone. Feinste Lapilli und grobkörniger als Sand haben eine Sandwüste hinterlassen, wie sie auch auf dem Mond anzutreffen ist.

Sommerpartie

Drei Kilometer Sommer
zwischen wogenden Gräsern,
Wegrauken und Margeriten,
Klatschmohn flammt auf.
Mit unseren E-Bikes
strampeln wir total öko,
bergab gleich bei 37,
königliche Einfahrt
ins Bushaltestellendorf,
Freizeitreiter von links,
vor dem Ehrenmal rechts
Trinkpause, man schmeckt
jetzt die Gülle.

© hertz

Traumtour

Mit der Straßenbahn
ging’s stracks übers Meer.
Die blanken Halteschlaufen
pendelten mit den Wellen,
niemand griff danach.
Kein Schaffner rief
die Haltestellen aus.
Erst an der Endstation
kamen wir zum Stehen.
Da lag ich nun.
Der abgeknipste Fahrschein
ist auf dem Nachttisch,
auf Verlangen vozuzeigen.
Guck
einfach.

© hertz

Kreuzberg-Sonate

Im Oktoberdress
farbrauscht die Rhön vor sich hin.
Kilianswetter.

Boskoops geplündert,
letzte Pflaumen gerüttelt.
Süße der Birnen.

Der Pilzpfannenduft
sättigt die braune Hütte.
Abends ein Roter.

Zum Berg der Franken
auf der Wanderautobahn
pilgern jetzt Masken.

© hertz

Saint-Spotting

Vierzehn Heilige
in fünfeinhalb Minuten,
kick digitale.
Das wundertätige Bild
darf man nicht,
nur daneben
die wächsernen Ohren
oder eine Leber,
naturgetreu bemalt.
Wir machen noch
die Krypta,
tiefes Bücken,
zwei Bischöfe
muffen hier
vor sich hin,
niemand blitzt.

© hertz

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