Schwarmbeben

Nicht fallen,
sagt sie am Tresen.
Irgendwo rumort’s
in der Tiefe.
Der Fernseher hängt
über den Flaschen,
ein Schwarmbeben,
rote Pfeile stürzen
aus dem Bildschirm
Richtung Whisky.
So tief
könnte man fallen.

Das Wetter morgen.
bleibt
schön.

Es kam schon mal
alles runter,
flüstert sie mir zu,
das Hotel haben sie
in die Lava gebaut.
Mit dem Knöchel ihres
Ringfingers klopft sie
an die schwarze Platte,
unberufen und dreimal.
© hertz

Tuffig

Im Feuerhagel
geborene Lapilli-Felder
knirschen
unter dem Schritt
abwärts.
Jeder rutscht
für sich allein.
Selbst Jungverliebte
lösen die Hände.
Am Fuß des Vulkans
legen sie ihre Namen
mit Tuffbröckchen,
vom Himmel gefallen,
ins schwarze Geröll.

© hertz

Echsen-Tour

Beton-Echsen
auf grauen Stelzfüssen
winden sich von Grat zu Grat
die Steilwände hoch.
Unten die Lockungen
alpträumender Schluchten
oben stumm der Basalt.
In jeder Spitzkehre
wendet der Bus
Nase überm Abgrund
voller Gebete gen Himmel.
Digitalkamas
verlieren den Fokus.
Es gibt Ansichtskarten.
Gott sei Dank.

© hertz

Blicke

Schlacken, Schotter, Schweiß,
vor mir deine Stiefel knarzen,
wir atmen uns hoch.
Auf dem Dach der Insel,
an den atlantischen Wind gelehnt,
flattrig der Griff zur Kamera,
ein Caspar-David-Friedrich-Blick,
unter den Wolken
irgendwo das Meer.
Ich habe dich
aus den Augen
verloren.

© hertz

Straße

Eine glückliche Gegend
erträgt keine Straße,
kann sie nicht riechen,
weicht vor ihr zurück,
erfindet Hindernisse:
Hügel oder Blitzeis.

Ihr schmerzen die Ohren,
wenn sie dort hinhorcht.
Ihr schmerzen die Augen,
wenn sie dort hinsieht.

Der einsame Fahrer
tut ihr leid.
So allein.
Und soviel schöne Musik.

© hertz

Wegweisung

Spare Brot für drei Tage.
Bitte die Alten um Wasser.
Lerne den Kompass der Bäume.
Lies die Spuren der Unschuld.
Sei gut dem Weg,
der dich geht.

© hertz

Riminiszenz

In Superacht:
luftgekühlt
über den Brenner gekrochen,
für die Kamera
teutonisch getobt
wie die Sieger,
dann kotzen die Kinder,
ist aber nicht mit drauf.
Später Babsie, becremt sich
den Bauch mit Nivea.
Der Strandwächter zeigt uns
die Ausziehzone der Gäste.
Prego.
Schade, es gibt keinen Ton.
Man sieht nur
seine wunderschön blitzenden Zähne.
Das nehmen wir raus.
Bikini aber muss sein,
Farbe wäre noch schöner,
auch die Natur
und zweimal die Grenze.
Solln doch die Enkel
mal sehn.

© hertz

Danzig

Mehr Fassaden geht nicht.
Und dann die Höfe:
Empört watet die Katze
am Saum der Pfütze entlang.
Die Junge in roten Hosen
bricht fremden Flieder,
Smartphone in der Linken.
Abfalltüten unverschämt
neben dem Brunnenhäuschen.
Unter’m Ahorn ein Bänkchen
kurz und unbesucht.
Wenn wir hier wohnten,
baute ich Dir und der Katze
einen hölzernen Steg,
umzäunte unseren Flieder allerhöchst,
schleunigst riefe ich die Müllabfuhr –
anderntags aber war ohnehin alles weg.
Und abends bisweilen
säßen wir bedeutsam eng
auf dem Bänkchen im Hof.
Einmal aber würde der schöne goldene Sigismund
auf der Spitze des Rathausturmes
winkend sich zu uns wenden.

© hertz

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