Baracke zur Seligkeit

Am herrlichsten
aller meiner Heiligen Abende
klopft es an unserer Fliegerbaracke,
die meine Mutter organisiert hatte.
Ein rot Vermummter begehrt Einlass,
auf Stiefeln, breit gebaut,
brauner Mantel mit Kapuze
Sack auf der Schulter,
Hände und Gesicht wie Max und Moritz –
da kommen die zwei Knaben
durch den Schornstein wie zwei Raben.
Äpfel, Nuss und Mandelkern
rollen und kullern aus dem Sack
und ein Jungs-Puppe
mit einer braunen Blechhaut
wie der Fremde.
Merry Christmas.
Ein Nigger, flüstert mein Vater.
Meine Mutter lächelt.
Ich
spiele
gottselig.

© hertz

Ungestill

Bei den Toten sitzen.
Still, still, still.
Wenn sie nur nicht
so laut reden würden.
Ihr Ungestillten,
haltet doch mal die Fresse.
Gott sei Dank,
im Gleisbett
kreischt
die S-Bahn.
© hertz

Immer noch

Ich danke dem Kind,
das ich nicht umgebracht habe,
mit achtundsechzig in die Kurve,
das bisschen Nässe,
lag doch gut in der Spur
auf dem Kopfsteinpflaster.
Ich war der Idiot
mit der neuen Karre
aus den Kleinanzeigen.
Im Rückspiegel
immer noch
der gelbe Rucksack.

© hertz

ÖPNV

Kommt nichts.
In der Linken ein Bier,
Rempeln mit Rechts.
Sie spielen Gleisschubsen
für die süsse Maid vom Plakat
mit der kessen Lippe,
alle 11 Minuten
verliebt sich’s.
Die sind schon um,
noch ist nichts passiert.
Kein Kuss.
Kein Zug.
© hertz

Vogelherbstpolitik

Das Land inzwischen
sang- und klanglos,
ein blinder Buntspecht
balzt an der Regenrinne.

Amsel
Drossel
Fink
&
Star
warten
auf den Kampf
ums Futterhäuschen.

Spatzen picken
jeden Krümel
und zwitschern
sich eins.
© hertz

Frei heraus

Der Herr Krebs sagt:
Ich komme wieder
oder auch nicht,
ganz meine Sache.
Ich bin gerührt,
wie sie mich
ablenken wollen:
Weichstrahlung,
Hartstrahlung
Chemos,
Antihormon,
Skalpell –
alles was die Kasse zahlt.
Beten zahlt sie nicht,
selten hasst man mich so lieb.
Ich schäme mich auch
ein wenig.

© hertz

Bisweilen

Andere haben ein Elterngrab,
wenn sie nicht weiter wissen.
Ich habe im Garten
eine rote Tänzerin,
wispere zu ihr,
schweige vor ihr,
heule bisweilen.
Sie aber schwingt
ihre breiten Hüften,
tanzt mir
den steten Punkt.
© hertz

Da kommt was

Halte nicht stand,
bestelle dein Haus,
es zieht was herauf.
Schau, die Mauersegler.
Lerne ihr SriehSrieh.
Fliege mit ihnen,
lass dich tragen.
Schlafe auf den Winden.
Meide den Blick
in das Auge des Sturms.
© hertz

U-Bahn zum Mittelmeer

Im Bordfernseh’n das Model,
hüpft in die Lagune,
ein Sportlertyp hinterher.
Ihm folgen hessische Schafe,
summende Honigbienen,
bayrische Volksmusikanten,
Bäuerinnen in Tracht,
Schwarzwald, guck mal,
und ein Klapperstorch.
Dann wieder das Model
ins Wasser, der Typ,
die Schafe,
die Bienen
die Musikanten,
die Bäuerinnen,
die Tracht,
der Schwarzwald,
ein Klapperstorch.
Das Model
fängt wieder an zu hüpfen.
Ich muss hier raus.
© hertz

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