Nachtfenster

Draußen rauscht was ab,
funkelnde Sternschnuppen,
bin wunschlos leer.
Schließe das Fenster.
Träume blanke Taler,
in meinen Schoß
eine Hemdelein
aus allerfeinstem Linnen,
Hochwohlgeboren
schlafe ich ein.

© hertz

72 : 1

Der Froschkönig werden soll,
ruft fünf Tage vorher an,
Ferngespräch, es knackt,
sie sollen einen anderen
in den Brunnen schicken.
Er sei konvertiert,
man mache ihn gleich
zum Gürtelträger,
wenn schon denn schon,
zweiundsiebzig Jungfrauen,
alle glutäugig. O Mann.
Besser als ’ne Tussi,
die einen an die Wand klatscht.

© hertz

Fünf-Uhr-Tee auf Hedwigslust

Urgroßmutters Sommer bauscht die Röcke prächtig,
Atlasfalten voller Erdbeer und Jasmin,
duftig süßen Vorspiels lockender Beginn.
Küss die Hand, voll Anstand kniet die Lust bedächtig.

Wilde Reben ranken sich um’s Pförtchen mächtig,
schelmisch scherzt ein praller Putto vor sich hin,
Rosenstöcke salutieren in Karmin.
Man beplaudert Herzensdinge, unverdächtig.

„Teezeit“, ruft man sie ins Haus hinein.
„Fräulein reichen Sie mir ihren Arm“,
knisternd schmiegt sich eilig Stoff an Stoff.

„Doktor, darf ich ihre Malve sein?“
Eins war hier schon längst des andern Schwarm,
täubchengleich es aus dem Herzen troff.

*

Man geht ins Haus, es glänzt die Wand aus Seide,
im goldnen Bilderrahmen Heilandsschäfchen,
begrasen allerfröhlichst Moor und Heide,
des Guten Hirten Hund im sel’gen Schläfchen.

Ein Pferdetrupp bereitet die Paneele.
Geschnitzt aus Wurzelholz des Sofas Wangen,
ein Ritter passte ‚rein mit Leib und Seele,
es fehlt‘ nur noch ’ne Jungfrau für’s Verlangen.

Zerknarrt wird jäh die Stille des Gemaches,
als man das Paar nun stumm zum Platze bringet,
es ächzt ein Stuhl, an Dübeln hier gebrach es.
Serviert wird Ceylon-Tee, Musik aufklinget.

Im Bild der Ahnherr schauet cool,
dieweil sie später Obstler trinken.
Die blassen Bräutchen wechseln wohl,
die Zwetschgen nicht. Er tut jetzt winken.

(Eine Phantasie nach Hedwig Courths-Mahler)

© hertz

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