Bisweilen

Andere haben ein Elterngrab,
wenn sie nicht weiter wissen.
Ich habe im Garten
eine rote Tänzerin,
wispere zu ihr,
schweige vor ihr,
heule bisweilen.
Sie aber schwingt
ihre breiten Hüften,
tanzt mir
den steten Punkt.
© hertz

Weidefall

Was Dunkles anziehn,
dann gucken sie nicht.
Sie gucken.
Ich hetze.
Ich fliege.
Hinter mir
was schnauft,
was stampft.
Vor mir
der Zaun,
der Pfosten,
der Sprung,
der Schmerz.

Ein schwarzes Fell,
Fliegen am Ohr,
Atem dampft,
schiebt den Kopf
durch den Draht,
Augen
melasseschwarz-bittersüß,
interessiert.
© hertz

Da kommt was

Halte nicht stand,
bestelle dein Haus,
es zieht was herauf.
Schau, die Mauersegler.
Lerne ihr SriehSrieh.
Fliege mit ihnen,
lass dich tragen.
Schlafe auf den Winden.
Meide den Blick
in das Auge des Sturms.
© hertz

Hugging Day

Die ganze Stadt umarmen,
Grundgütiger.
Die Neonschreie der Kaufhäuser,
zeitschlagende Kirchtürme,
das ewige Badabambadabam der S-Bahnen?
Preismurmelnde Kleindealer
hinter dem alten Friedhof?
Das Juchzen der Pärchen
in den Hecken am Seepark?
Die Maulkorbhunde, bei denen
ich die Straßenseite wechsele?
Ist das wirklich so gemeint?
Die ganze Stadt umarmen?
Keuchende Extremjogger?
Lauthalsige Hinterhof-Jungs
mit ihren Kacke-Sprüchen?
Die zwei Penner unter der Rathausbrücke,
o Gott, wie’s da stinkt?
Alle
mit den fremden Gesichtern,
wie sie mit den Armen fuchteln,
die riechen nicht bloß,
man denkt, sie holen
gleich ein Messer raus,
und die alten Frauen,
die mir nachstarren,
als ob ich Freiwild wäre,
und die jüngeren,
auch nicht von hier,
stehen da im Pulk
mit ihren glutvollen Augen,
lachen sich eins?
Meinen sie mich?
Reden wir mal über To-go-Becher,
die der Wind herumtrudelt,
und über die Schmierereien
an jeder freien Mauer.
Die ganze Stadt umarmen,
das kann man mir nicht zumuten.
Diese Rüpel von Radfahrer,
die SUV-Blödmänner, die laut hupen,
die Idioten mit dem Diesel-Bleifuß
und das Aas von Busfahrer,
der mir gestern erst
die Tür vor der Nase
einfach zugemacht hat.
Der war doch eh sowas von spät.
Den auch?
Grundgütiger.
© hertz
Es gibt tatsächlich einen „Hugging Day“, einen „Weltknuddeltag“, wie es auf deutsch heißt.Es ist der 21.Januar.

U-Bahn zum Mittelmeer

Im Bordfernseh’n das Model,
hüpft in die Lagune,
ein Sportlertyp hinterher.
Ihm folgen hessische Schafe,
summende Honigbienen,
bayrische Volksmusikanten,
Bäuerinnen in Tracht,
Schwarzwald, guck mal,
und ein Klapperstorch.
Dann wieder das Model
ins Wasser, der Typ,
die Schafe,
die Bienen
die Musikanten,
die Bäuerinnen,
die Tracht,
der Schwarzwald,
ein Klapperstorch.
Das Model
fängt wieder an zu hüpfen.
Ich muss hier raus.
© hertz

Grenzfall

Allerdickst kommt’s,
weiss die Nachbarin
aus dem Autoradio,
allerdickst,
haben sie gesagt.
Dann ginge gar nichts mehr.
Unsere beiden roten Tulpen
wiegen weise ihre Köpfchen.
Am Morgen liegt tatsächlich
die Flockenfallgrenze
bei 47 Metern.


© hertz

Straßenkampf

Die Wollmütze
und der Bärtige
klatschen sich ab,
erst mit rechts,
dann mit links.
Stürmisch und stürmischer.
Kehllaute. Singsang.
Ein verwirrtes Eichhörnchen
jagt die Platane hoch.
Der Bärtige spielt
Arm hoch, Finger gerade,
in Kinderpose
eine Hand am Abzug,
das Tier im Visier.
Brrrat-a-tat-tat-tat-tat.

© hertz

Girls‘ Days

Rocca ist elf,
landet einen A-380
– im Film.
Will die Welt verändern.

Pippi ist neun,
das stärkste Mädchen der Welt
– im Roman.
Will die Welt verändern..

Greta ist sechzehn,
regt Schulen auf
– in echt.
Will die Welt verändern.

© hertz

Nachtfenster

Draußen rauscht was ab,
funkelnde Sternschnuppen,
bin wunschlos leer.
Schließe das Fenster.
Träume blanke Taler,
in meinen Schoß
eine Hemdelein
aus allerfeinstem Linnen,
Hochwohlgeboren
schlafe ich ein.

© hertz

Kein Zug

Regenpeitschen.
Böenwummern.
Lichter gehen aus.
Verschon uns.
Kein Zug, es wäre seine Zeit.
Das Tief wird tief und tiefer,
sollte Wotan heißen.
Es gibt bald sowieso
die Sonne nicht mehr,
sagte die junge Frau
gestern an meiner Tür.
Ich lächelte dümmlich.
Sie nicht.

© hertz

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