Noch Zeit

Wenn du tot bist,
bleibst du hier,
ich öffne kein Fenster,
halte die Uhr nicht an.
Sie sagen dass du riechst,
ich werde dich waschen,
wie es sich gehört,
festlich kleiden,
oben und unten,
deine Wäsche von damals,
das Seidenteil, die Pumps,
der Damenanzug.
Wir haben noch Zeit,
bevor die Kinder kommen.
Ich rücke deinen Sessel
zu den Bildern,
die du gern hast,
das Paar beim Sonnenaufgang,
die Heidelandschaft,
das handgemalte Kätzchen
von deiner Freundin.
Ich mache es dir bequem.
Fernsehen heute nicht.
Ich werde dir vorlesen,
was von Theodor Storm,
mein Harfenmädchen.
Das wird dein Abend.

© hertz

Shooting

Es glitzern die Gleise,
sie lächelt nach unten,
o Gott.
Ein andrer ist da.
Rosa Fliege,
ein meerblauer Frack,
klickert im Takt,
sie macht ihm ihr Mündchen,
wirft ihm ihr Küßchen.
betänzelt die eiserne Brüstung.
Er rollt sich rücklings,
jetzt noch von unten.
Die Braut ist im Kasten
der Anzug ist hin.
© hertz

Schöne Brücke

Hier sollte man springen.
Allein schon der Blick
in die Abendsonne.
Nur dauernd diese Frachter.
Auf einen Container
will ich nicht knallen,
das tut verdammt weh.
Missglückte Arschbombe,
denken die dann.

Ich warte besser noch.
Sonntags da kommen
die Frachter doch nicht.

© hertz

Hôtel-Dieu

Schwarze Schmerzreiter
von der weißen Glasfront
Lanzen
Speere
Schwerter
Wundmacher
und nichts tut so weh
wie der Morgenstern
sein Kopf
mit eisernen Dornen

jetzt lüg dich weg
bete den Spruch
gelobe in dreierlei Namen

hinter der milchigen Scheibe
gucken sie lieb
wie du da raus kommst

© hertz

Hey Joe

Unten die Biskaya.
Oben Turbulenzen.
Auf den Kopfhörern
meines Vordermanns
zwei rockende Wilde,
Bikini abgrundtief,
muss man hingucken.
Er steht auf, greift
den bunten Gehstock.
Zöpfchen rechts,
Zöpfchen links,
zucken im Rhythmus.
In welchem?
Die Triebwerke
dröhnen alles zu.
Purple haze
all around.
Noch drei Stunden.

© hertz

(Titel und kursive Zeilen sind Zitat, Jimi Hendrix 1967)

Weißtag

Es schneit
meinen Schmerz zu
mehr, mehr
klatsche ich
in die Hände
Schneeflöckchen
Weißröckchen
ich baue mir
an der Stelle
wo es weh tut
einen Schneegott
ohne Augen
früher hatten wir
Eierkohlen

© hertz

Heimspiel

Das Alpenveilchen kriegt
den Rest vom Schonkaffee.
Mit rosa Pillen
spielen wir Boule
auf dem Fußboden.
Ich gewinne.
Du maulst.
Über die Sprechanlage
bestellen wir Prosecco
für die Pflegesatzparty,
aber dalli und trocken.
Danach werden wir
in die Hosen pinkeln,
als wäre nichts geschehen.

© hertz

CosPlay

Kettenhemd.
Lederwams.
Hier, der rote Mantel
von deinem Vater.
Drunter Angora,
du zitterst.
Deine Haare, man könnte
dich an ihnen erkennen,
nimm die Perücke,
Grün steht dir,
sie ahnen nicht
dass du es bist.
Kein Schwert.
Wir schlagen
uns durch.

© hertz

Wann dann

Heiligabend sterben
sollte nicht sein,
auch die drei Tage
vorher nicht.
Man hat schon alles
und nun das.
Verschieben also –
löst einen Stau aus.
Vorweg vielleicht,
aber wer will das schon,
höchstens ein paar
Freiwillige.

Mir würde es nichts ausmachen
nach Flugente mit Orangenlikör,
passender Musik, was von Bach,
etwa „Jauchzet, frohlocket“,
in Ordnung, und dann.

Die werden weinen.

© hertz

To go

Uranus zum Beispiel
verbringt Jahre
im selben Sternbild.
Das könnte ich nicht.
Es soll nicht
so lange dauern.
Lange ist zu spät.

Es könnte Gott weiß
was passieren.
Die Kurse könnten fallen.
Die Kurse könnten steigen.
Die Regierung könnte gehen.
Die Regierung könnte bleiben.
Die Liebe könnte kommen.
Die Liebe könnte gehen.

Ich buche premium.
Ich buche overnight.
Ich buche rapido.
Ich nehme expresso.
Ich nehme den Pappbecher.

© hertz

Blogverzeichnis - Bloggerei.de
Follow by Email
Zurück