Kann nicht

Ich kann keine Flüchtlinge.
Und ein Dichter sollte doch.
Ich kann kaum Kirchenchor,
gerade noch alte Freunde,
meine Briefträgerin geht noch.
Nachbarn verschieden.
Katzen meistens.
Ab und an Kinder,
nicht alle, die ich habe.
Frauen – eine.
Ich kann Karibik,
wenn man mich hinfliegt,
Kenia oder Kanaren,
viele andere Länder,
wo es sich reimt
oder auch nicht.
Ich kann keine Flüchtlinge.

© hertz

 

 

 

Menschenpark

Alle aus Stein.
Die Frau ohne Kopf und Arme,
keine Beine, nur Stümpfe.
Torso des Seins,
steht auf dem Schild.
Da drüben, die ist intakt,
voll nackt, Kopf gesenkt,
Kind über der Schulter.
In roter Farbe hat jemand
ihr ein Hüfttuch angemalt,
wie bei Jesus in der Kirche.

Gehen wir zu den Männern.
Zum Beispiel Ikarus
mit freiem Unterleib
und Engelsflügeln.
Es folgt ein Junge,
barfuß im Handstand,
ein Bein ist verkümmert.
Zu allerletzt ein Krieger,
70 /71, marschiert
seit Jahrzehnten
auf seinem Sockel
in voller Montur.

Der Kopf des Stifters
ist aus rotem Granit,
tiefe Schläfengrube,
der Schädel poliert.
Er lächelt.

© hertz

Unter’m Falschmond

In Timbuktu
eine Sandburg bauen
mit seinen Kindern
und zugucken,
wie sie flüchten.
Vier Länder weiter
hängt sogar
der Mond verkehrt.
Viele nehmen jetzt
eine andere Route,
sagt der Kamelführer.

© hertz

Millimeterarbeit

Pullover, Hemd, Tanktop,
elf Millimeter Baumwolle.
Ausziehen.
Unten auch.
Nur langsamer.
Man kennt sich.
Bräunungen und Rötungen
schwarze Punkte,
blaue Besenreiser,
Narben und Einstiche,
Falten wie Gebete.
Meine klunschige Unschuld.

Komm.

 

© hertz

Heimatkunde II

Hochzeit bei Brodersen.
Sie krieg‘n sich in die Wolle,
als man die Braut entführt.
Wohin und wer? Kein Ton,
die Handys schwiegen schlicht.

Das Funkloch ist geblieben,
die Braut, sie tat es nicht.

© hertz

Heckenschütze

Eine halbe Zigarette lang
flach an die Wand gedrückt,
das Regal als Sichtschutz,
sein iPod dauernd im Blick.

In der Zwölften schon wusste er,
was er werden wollte:
Heckenschütze.
Lisa hörte darum sofort auf,
mit ihm zu gehen.

Er malt sich
ihre prallen Brüste aus,
nur bis dahin ging es.
Zicke. Freifräulein Louise von –
er müsste ihr’s mal
richtig zeigen.

Das Signal.

Hastig zerquetscht er
den glühenden Stummel
zwischen Daumen und Zeigefinger.

 

© hertz

Grabung


Armknochen. Beinknochen.
Im Spotlight sehe ich
eine Beckenschaufel,
mehrmals gebrochen,
wie der Flügel
einer ausgestorbenen Vogelart.
Die Splitter im Fach drüber
waren mal ein Oberschenkelhals.
Das neue Hotel hat den Fund
zweisprachig beschriftet.
Vormensch, männlich.
Lag zu flach für die Tiefgarage.

Zuhause ziehe ich mich sofort aus,
meine Finger graben nervös
nach meinem Becken
unter so viel Fleisch.
Passt.

© hertz

Heimatkunde

Der Hackklotz
das Handbeil
die Ewigkeitssekunden
der Schnabel
der Kamm
die rote Spur
Gockelhahn
den ich liebte
weisst du noch
keine Träne
der Befehl
© hertz

Ogottogott

Ogottogott schwitzt,
will am liebsten
den Laden zumachen.
Die Wünsche der Kundschaft
gehen mir auf den Keks,
tippt sein Zeigefinger,
das meiste nicht lieferbar.
Noch 37 Zeichen,
langsam tut’s weh,
verdammt klein alles.
Er hätte gern
ein Seniorenhandy
mit Ventilator
und ein tolles Gewitter
oder eine andere schöne Krise.

© hertz

 

Malibu

Wind umspielt zärtlich
die heißeste Sonnenbrille
von ganz Fielmann
auf ihrem Malibu-Surfbrett
jetzt und für den Rest
eines berauschenden Lebens
voller Sommerhits

Zack
Vorbei
Arschbombe

© hertz

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