Blicke

Schlacken, Schotter, Schweiß,
vor mir deine Stiefel knarzen,
wir atmen uns hoch.
Auf dem Dach der Insel,
an den atlantischen Wind gelehnt,
flattrig der Griff zur Kamera,
ein Caspar-David-Friedrich-Blick,
unter den Wolken
irgendwo das Meer.
Ich habe dich
aus den Augen
verloren.

© hertz

Valentinas Tagebuch

Meine Katze
scheute,
als er kam.

Meine Musik
hat er gehört,
mein Notebook
hat er beguckt,
meine Limo
hat er getrunken,
meine Chips
hat er gegessen,
meine Poster
hat er bewundert.
Meinen Busen
hat er probiert.

Meine Puppen
taten wir beiseite.

Meine Katze
schnurrte,
als er ging.

© hertz

Straße

Eine glückliche Gegend
erträgt keine Straße,
kann sie nicht riechen,
weicht vor ihr zurück,
erfindet Hindernisse:
Hügel oder Blitzeis.

Ihr schmerzen die Ohren,
wenn sie dort hinhorcht.
Ihr schmerzen die Augen,
wenn sie dort hinsieht.

Der einsame Fahrer
tut ihr leid.
So allein.
Und soviel schöne Musik.

© hertz

Schrei

Ob du
geschrien hast.
Hast du?
Ihren Namen.
Gottes Namen.
Oder bloß
Scheiße.

Neulich im Film:
Blutige Polster,
Mund weit offen.
Ein Drogendealer.
Was schreit so einer?

Aber du
Musste die Karre dich
Verdammt

© hertz

Gülle, Gülle

Aus Schläuchen plätschert
das Zeug in die Anlagen.
Die städtischen Anlagen sind schon
abgesperrt, vorsichtshalber.
Die schwarzbunten Kühe traben
dieweil in die Fußgängerzone,
neugierig, ob ihre Bauern
die Sache mit der Kuhkacke
voll in den Griff kriegen.
Leute drücken sich eilig
in die Läden, das Personal
drückt die rote Notruftaste.
Die Securitas wird ausgemuht.
Ein paar Bullen besuchen
mal den netten Dönermann,
garantiert kein Schwein,
sie nehmen grünen Salat.
Alkluge Kälbchen hopsen
ganz allein in den Bus
zum Schlachthof.
Ein schöner Ausflug.
Güle, Güle.

© hertz

Längst

Unter’m schatt’gen Baum
geschrien alle Namen,
verrauscht längst.
Beim schwarzen Weg
geweint bittre Tränen,
versiegt längst.
Im dunklen Stall
geschworn hundert Eide,
verjährt längst.
In ihrem Zimmer
geküsst auf den Mund,
weiß ich noch.

© hertz

Zensur

Es kommt nicht oft vor, dass ein kleines Gedicht etwas Böses tut. Jetzt offenbar doch, und darum muss es weg. Passiert in der Bundesrepublik.


avenidas
avenidas y flores

flores
flores y mujeres

avenidas
avenidas y mujeres

avenidas y flores y mujeres y
un admirador

***

alleen
alleen und blumen

blumen
blumen und frauen

alleen
alleen und Frauen

alleen und blumen und frauen und
ein bewunderer

Die Alice Solomon Hochschule in Berlin will dies Gedicht übermalen, in großen Buchstaben steht es auf ihrer Fassade in Berlin-Hellersdorf geschrieben. Autor ist der Schweizer Schriftstellers Eugen Gomringer. Der Beschluss des Akademischen Senats stammt vom Dienstag, 23.01.2018.

Gomringers auf Spanisch verfasstes Gedicht „avenidas“ steht in der Kritik, weil es Frauen gegenüber als diskriminierend aufgefasst werden könne. Das Stichwort „Sexismus“ fiel in der schon Monate währenden Debatte. Der Lyriker hat lt. Medienberichten die geplante Übermalung scharf kritisiert. „Das ist ein Eingriff in die Freiheit von Kunst und Poesie“, sagte der 93-Jährige am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Maßnahme richte sich gegen ein „nicht weichgespültes Gedicht“.

Sauber

Winterregen
hat die Böschung reingewaschen.
Hier knautschte keine Motorhaube,
hier erbrach sich keine Ölwanne,
hier schrie niemand in den Gurten.

Verloschen das Ewiglicht
im Plastikbecher
vom ALDI.

Nichts
lenkt uns ab.

© hertz

Tafelfreuden 1948

Die Zuckerdose
vom Schwarzmarkt.
Der Speisewärmer
aus den Trümmern.
Der Silberleuchter
aus Opas Garten..

Die Häkeldecke
Zigeunerware.
Die weisse Kanne
von drüben.
Die Weingläser
für Reichsmark.
Das schwere Besteck:
Papas Beute
aus Paris.
Ansonsten
Arzberger
© hertz

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