Kniepsand So

Nett

Mein Meerhaus ankert blau auf weißem Sand,
die Nummer vier gleich links vom Rippelfeld,
willkommen jedem, der sich zugesellt.
Der Weg führt geradeaus, ist unbenannt.

Die Flut verbeugt sich artig stets, galant,
macht höflich einen Bogen um das Zelt,
kommt nur bei Neumond heimlich vorgeschnellt,
leckt dann genüßlich an der Plastikwand.

Solch Lüste hält man endlos nicht im Zaum,
es schwillt und rollt bald gierig von Nordwest,
verleibt sich schließlich ein den Kindertraum.

November gibt dem Strandidyll den Rest.
Die Sommergründung schluckt der graue Schaum.
Zog um schon Wochen vor dem Martinsfest.

©hertz

Dämmerung

Der erste Zug
zerspant
das Frühlicht,
kreischt
in der Kurve,
verschüchtert
das Begehren.
Bilder fliehen
den Schlaf.

Rechtsgewälzt.
Linksgewälzt.
Herzspitzenstoß,
es pocht,
es pocht.
Der ich bin,
ist nicht da.

© hertz

Riminiszenz

In Superacht:
luftgekühlt
über den Brenner gekrochen,
für die Kamera
teutonisch getobt
wie die Sieger,
dann kotzen die Kinder,
ist aber nicht mit drauf.
Später Babsie, becremt sich
den Bauch mit Nivea.
Der Strandwächter zeigt uns
die Ausziehzone der Gäste.
Prego.
Schade, es gibt keinen Ton.
Man sieht nur
seine wunderschön blitzenden Zähne.
Das nehmen wir raus.
Bikini aber muss sein,
Farbe wäre noch schöner,
auch die Natur
und zweimal die Grenze.
Solln doch die Enkel
mal sehn.

© hertz

Liliencron

Detlev von Liliencron lebte Ende des 19.Jahrhunderts in Schleswig-Holstein. Von 1883 bis 1885 war er Kirchspielvogt in Kellinghusen (Holstein). Geldmangel und Frauengeschichten prägten sein Leben – nicht nur an diesem Ort.

Störkathen ist eine kleine Heidelandschaft unweit von Kellinghusen, die der Dichter gerne aufsuchte. Ein ruhiger Ort, durch den auch Autor schon manchmal geschlendert ist. Vielleicht entstand hier eines von Liliencrons Gedichten, das er der Kieler Zeitung zum Abdruck vorlegte – dort aber bedauerte man.

Der Volontär bei der Kieler Zeitung und angehende Dichter Johannes Kruse bedauert, dass das von Liliencron eingesandte Gedicht Persisches Liebeslied nicht abgedruckt werden kann, da es zu erotisch sei. Das Werk selbst ist aber nicht daran schuld. Vielmehr sei die Redaktion gezwungen, auf das Publikum Rücksicht zu nehmen. „Mancher Backfisch u. rührselige alte Jungfer ist darunter, und zwar nicht nur vom weiblichen Geschlechte. […] Anständige rote Grütze und fromme unschuldige Milch‚ das ist es, was ein ansehnlicher Teil von unsern Lesern verlangt.“

Persisches Liebeslied

Deine dunklen Augenbrauen
Sind zwei sanfte Pfortenbogen;
Eines lichtwechselnden Gartens Eingang
Haben sie zierlich überzogen.

Aber viel schwarze Wimpernspeere,
Die rings ihn, ein reizender Wall, umschmücken,
Setzen sich trotzig gradaus mir entgegen,
Trag ich Verlangen, dort Rosen zu pflücken.

Heut, als meine Liebe glühte,
Ließest du mich nicht länger warten,
Und durch die sanften Bogenpforten
Fand ich den Weg in den Märchengarten.

Die Stunde war still, die Menschen gingen
Vorüber und konnten uns nicht entdecken;
Wir saßen vom Fenster weitab in der Halle,
Sie konnten so hoch nicht die Hälse recken.

Und ungestört, eine selige Stunde,
Durft ich im Paradiese weilen
Und Rosen pflücken, so viel ich wollte;
Ich glaube, wir pflücklen zu gleichen Teilen.

Inzwischen sanken die Wimpernspeere
Wie Fahnen, besiegt auf erstürmtem Hügel,
Und lagen geschlossen in süßer Ermüdung,
Wie des ermatteten Schmetterlings Flügel.

Störkathen

Ja, hier lustwandelt‘ einst der Dichter,
den Geist, die Seele auszulüften,
man sagt, sein Vers sei oft ein schlichter,
versinkt so gern in Frauen-, Cron-
und adlig-feinen Liliendüften.

Ein Heidestein trägt seinen Namen,
es gibt bloß schwarze Kiefern, Schnucken,
nicht reizen Liebesmelodramen,
kein flimmergrünes Augenpaar,
ganz ohne keusches Miederzucken.

Das bringt uns kaum was, Allerliebste,
die Luft, sie beißt, Novemberkühle,
da gehn wir besser aufs Rapidste
den sel’gen Detlev heiß verehr’n
in unsre eignen warmen Pfühle.

© hertz

Blau

Niemandsland
bewacht von grauen Wäschepfählen
und vierunddreißig Augenpaaren
hinter den Gardinen.

Die Probe
des Adepten:
Er hebt den Stab,
sagt lautlos
seinen Spruch,
ins Nichts
ritzt er Hyperbeln.

Wie schade, Blüten, Blüten, Blüten.
Zwar diesmal alles blau in blau –
Vergissmeinnicht und Männertreu,
Verbenen, Bleiwurz, Blaue Lieschen,
ein Meer von Blüten strömt herbei.
Wer macht das nachher wieder weg?
Aus offenen Türen jubeln Kinder,
ein Paar umarmt sich neu verliebt.

Der Meister der Novizen sieht‘s
in seinem blinden Spiegel, seufzt:
Schon wieder einer,
der bloß Blumen kann.

© hertz

Schwarzer Mond

Traumhatz.
Fetzen von Sätzen.
Bänglich pocht
dein Herz an.
Ich fahre hoch:
Kein Wechselbalg,
du bist noch da.
Ich lege mich
dicht an dein Ohr
und summ dir was
vom Morgenstern.

© hertz

Karbid

Der dicke Schulze
holt die Klümpchen
aus der Jackentasche,
stinken nach Klo.
Ab damit
in die Flasche von Tommi.
Wasser schon drin.
Hänschen ist stolz
auf sein Sturmfeuerzeug.
Wird nicht gebraucht.
Ich hab’ nichts.
Ich muss Schmiere stehen.
Im Rohbau kracht’s
wie Silvester.
Scherben hageln.
Das machen sie
gleich nochmal.
Zwei Häuser weiter
geht die Tür auf,
das ist bei Thomas.
Wir stieben davon,
kauern im Graben,
schleichen heim.
Nur ich
habe saubere Hände.

© hertz

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